ANDERE BEWEISMITTEL
Ein zentraler Begriff der englischsprachigen Diskussion über die Ursachen von Fehlurteilen lautet "false forensic evidence". In diesem Sinne falsch können wissenschaftlich fundierte Beweismittel aus verschiedenen Gründen sein: von der falschen Anwendung anerkannter wissenschaftlicher Methoden über die Anwendung von Methoden, die sich angesichts neuerer (natur-)wissenschaftlicher Erkenntnisse als überholt erweisen, bis hin zur Anwendung von Methoden, die (natur-)wissenschaftlich bei Lichte betrachtet von vornherein unhaltbar sind ("junk science") und zur übertreibenden und/oder falschen Darstellung durch Sachverständige im Gutachten. Als Beispiel für Methoden, deren Verlässlichkeit nicht nur nicht belegt, sondern in höchstem Maße zweifelhaft ist, wird häufig die sogenannte Bissspurenanalyse ("bite mark analysis") genannt.
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Innocence Project: Why Bite Mark Evidence Should Never Be Used in Criminal Trials
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Nach den Erhebungen des National Registry of Exonerations (hier) waren falsche oder irreführende wissenschaftlich fundierte Beweismittel ("false or misleading forensic evidence") für 24 Prozent der dort registrierten Fehlurteile im US-amerikanischen Strafverfahren (mit-)ursächlich.
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Ein falsches Sachverständigengutachen kommt als Wiederaufnahmegrund zugunsten des Verurteilten nur in Betracht, wenn es schuldhaft erstattet wurde (§ 359 Nr. 2 StPO) oder wenn zusätzlich neue Tatsachen oder Beweismittel vorliegen, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen geeignet sind, einen Freispruch, eine geringere Bestrafung nach einer milderen Strafvorschrift oder eine wesentlich andere Entscheidung über eine Maßregel der Besserung und Sicherung zu begründen (§ 359 Nr. 5 StPO). Eine neue Tatsache in diesem Sinne kann es etwa sein, wenn die bzw. der Sachverständige nunmehr selbst zu einem anderen Ergebnis kommt; ein neues Beweismittel kann z.B. ein neues Sachverständigengutachten mit anderem Ergebnis sein.